Ein Beitrag des ZDF Magazins Frontal21! vom 13. September 2011 zeigt wieder einmal was ich bei meinen Einkäufen in Rußland schon länger vermutet habe. Rußland scheint nach Ansicht manch eines westlichen Industrieunternehmens der „Abfalleimer“ zu sein, mit dem man nach Belieben verfahren kann, alles nach dem Motto „Mit Rußland kann man’s machen.“
Wenn Waren nach Russland exportiert werden, dann kann man auch mal Fünfe gerade sein lassen. Ob giftiges Spielzeug aus China, abgelaufene Medikamente die umettiketiert werden und dann, oh Wunder wieder wirksam sind oder eben „aufgepumpte“ Hähnchen aus Deutschland, egal, ist eh nur für den Export und gut genug für „die Russen“.
Worum geht es? Es geht darum daß eine deutsche Tochter des französischen Konzerns „Doux“, was übrigens „Süß“ heißt, die Guts-Gold GmbH aus Grimmen in Mecklenburg-Vorpommern, Hähnchen, die für den Export bestimmt waren, ein wenig gewichtsmäßig „gepimpt“ hatte, soll heißen, die Hähnchen wurden so mit Wasser behandelt dass sie selbst nach ihrem Ableben erstaunlicherweise noch an Gewicht „zunahmen“.
Das wundersam zunehmende Hähnchen kommt nicht nur in Rußland vor und es müssen auch nicht immer Hähnchen sein. Jedermann kennt das Problem. Man legt ein hinreichend großes Schnitzel z.B. in die Pfanne und das gute Stück dampft innerhalb weniger Minuten auf kaum mehr als Briefmarkengröße zusammen. Das Geheimnis ? Wasser. Und so eben auch bei diesen Hähnchen die ja „eh nur für den Export“ waren. Bei solch einer Nachbehandlung der Hähnchen handelt es sich um die Erschleichung von EU Subventionen. Die EU subventioniert den Export landwirtschaftlicher Produkte und für die Höhe der Subvention ist eben u.a. das Gewicht entscheidend.
Mal abgesehen davon, dass diese Subventionen den Steuerzahler Unmengen an Geld kosten, darauf will ich hier mal nur beschränkt eingehen, finde ich es eine ungeheure Schweinerei jeden „Rotz“ nach Rußland zu schicken mit dem Hinweis daß sei für „die gut genug.“ Sind „die“ Menschen zweiter Klasse? Meint man mit „denen“ mal kurz die „Schnelle Mark“ machen zu können?
Viele Menschen in Rußland haben heute noch einen Lebensstandard der weit unter dem ist was man in Deutschland darunter versteht. Einkommen von umgerechnet 250 bis 300.- Euro monatlich sind in Regionen außerhalb der Ballungszentren Moskau und St. Petersburg keine Seltenheit. Daher achtet die russische Hausfrau zuerst einmal auf den Preis. Und Geflügel, insbesondere Importgeflügel ist oftmals billiger als Schweinefleisch oder gar erst Rindfleisch. Diese Einkommen erklärt auch die Popularität des Imports von Geflügelteilen aus den USA nach Rußland, die seinerzeit bei den Russen als „Noshki Busha“ – Bushs Beinchen – bekannt waren. Sie waren preiswert für die russische Hausfrau und all die, die in Rußland nicht an übervollem Geldbeutel litten. Und darum griff der russische Verbraucher zu.
Die subventionierten Importlebensmittel sind zudem oftmals auch noch billiger als einheimische Ware und machen es so russischen Produzenten schwer sich am Markt zu behaupten. Aber Gott sei Dank gibt es mittlerweile auch russische Geflügelproduzenten die dem Ansturm westlicher Waren stand halten. Die Geflügelfarm „Verkhni Volzhskij Ptitse Fabrika“ beliefert den Oblast Tver mit frischem und gefrorenem Geflügel und die dort produzierten Hähnchen heben sich geschmacklich positiv von dem ab, was dem russischen Verbraucher da sonst noch als „toter Broiler“ in den Tiefkühltruhen der örtlichen Supermärkte angeboten wird.
Wie dem auch sei, ich finde es eine Sauerei diejenigen die eh nicht soviel in der Tasche haben auch noch mit „gepimpten Hähnchen“ über den Tresen ziehen zu wollen. Was kann man dagegen aus russischer Sicht tun? Nun, ich bin nicht die russische Regierung. Aber wenn ich das wäre was würde ich tun?
Ich würde den Landesoberveterinär, Herrn Anishshenko in die Spur setzen und von ihm ein völliges sofortiges Importverbot für EU Geflügel unter Hinweis auf die zweifelhaften Praktiken der „Doux“-Gruppe verhängen lassen. Dieses sofortige Einfuhrverbot würde ich auch umfassend mit Gründen im Westen kommunizieren.
Sollen sich doch die anderen Geflügelproduzenten bei der französischen Firma „Doux“ bedanken ür das Importverbot bedanken, unter dem dann alle zu EU Geflügelproduzenten zu leiden haben werden. Ich bin sicher der EU-interne Druck und der Druck der Konkurrenten würde die Verantwortlichen bei „Doux“ und deren Töchtern schon hinreichend disziplinieren.
Ich bin mir leider weiterhin sicher dass eine EU interne Aufklärung der Vorfälle kaum zu einem brauchbaren Resultat führen wird. Zu gut ist die Vernetzung von Politik und Lobby auf allen Ebenen. Und falls nicht der Fall ist, dann braucht eine große Firma ja nur mal beiläufig auf den „Verlust von Arbeitsplätzen“ hinweisen um weiteres Vorgehen gegen sie im Keime zu ersticken. Man stelle sich das mal in einer Stadt wie Grimmen im strukturschwachen Meck-Pomm vor. Die Ergebnisse sind, bis hinauf zur Landesregierung vorhersagbar.
Aber es gäbe da eine, m.E. sehr viel wirkungsvollere Methode.
Im Mittelalter waren die Handwerker, zu denen auch die Bäcker zählten, in gesonderten Zünften organisiert. Diese Zünfte beschränkten einerseits den Zugang zu bestimmten Berufen und schützen die Mitglieder so vor Konkurrenz. Andererseits wachten die Zünfte aber auch darüber, dass ihre Mitglieder die vereinbarten Mindeststandards bei Waren und Dienstleistungen einhielten. Im Falle von Verstößen versuchten sie erst zu einer innerzünftlichen Lösung zu kommen und falls dies nicht gelang, schleppten sie den Missetäter auch einmal vor die weltliche Gerichtsbarkeit.
Die weltlichen Richter wandten zu jener Zeit oftmals das Recht der jeweiligen Stadt an in der die inkriminierte Handlung stattgefunden hatte. Im Falle eines Bäckers der seine Kunden dadurch zu übervorteilen suchte, daß er entweder minderwertiges Brot verkaufte oder Brot das nicht das geforderte Gewicht aufwies, in solch einem Falle gab es im Mittelalter die sog. „Bäckertaufe„. Unter „Bäckertaufe“ hat man folgende Strafe – verkürzt – zu verstehen. Der Deliquent wurde in einen kleinen an einem Kran hängenden Käfig gesperrt und dann wurde dieser Käfig nebst Inhalt entweder in einen Fluß, oder in eine Kloake getaucht. Jedermann kann sich vorstellen, daß das Verlangen der so Behandelten an erneuten Betrügereien zumindest auf absehbare Zeit ziemlich reduziert war. Nun, wir sind nicht mehr im Mittelalter, Gott sei Dank, oder leider, je nach Gesichtspunkt. Solche Strafen fallen also in unserem Fall aus. (Obwohl … könnte ich mir auch ganz gut als „Bankertaufe“ vorstellen, aber ok, das ist ein anderes Thema)
Aber werden wir realitätsnaher. Man stelle sich einmal vor, der russische Generalstaatsanwalt nähme sich dieser Sache ernsthaft an. Man stelle sich weiter vor, es käme gar zur Beantragung eines internationalen Haftbefehls gegen die Geschäftsleitung von „Doux“ und eine Fahndungsausschreibung über Interpol. Man stelle sich schließlich einmal vor, einer der Manager von Doux würde tatsächlich irgendwo bei einem Auslandsaufenthalt, z.B. beim Urlaub in der Türkei, verhaftet werden und an Rußland ausgeliefert werden. Das erstaunte Gesicht eines solchen Mitarbeiters möchte ich sehen, wenn er sich anstatt in dem bisher gewohnten Fünf-Sterne-Feriendomizil plötzlich in der „Lubjanka“ oder der „Matroskaya Tyshina“ wiederfindet und die „russische Gastfreundschaft der besonderen Art“ für zwei bis drei Monate Untersuchungshaft in Anspruch nehmen „darf“. Ich bin mir sicher, das hätte einen anhaltend nachhaltigen pädagogischen Effekt auf den unmittelbar Betroffenen als auch auf eventuelle Nachahmungswillige. Wer daran zweifelt möge mal den Ex-Oligarchen Chodorkovski fragen.
Das wäre Verbraucherschutz in Hochpotenz und das nicht nur im Interesse russischer Verbraucher, sondern auch im letztlichen Interesse derer die mit ihren Steuergeldern zweifelhafte EU Subventionen finanzieren.
In diesem Sinne
Der Hinweis auf Fleisch der B Sorte aus den Brüsseler Tiefkühlhäusern fehlt:). Das sind auch leckere Teile. wer es in eine Pfanne tut hat einen Gewichtsverlust von deutlich über 20 Prozent in der Pfanne.
Oder Fisch aus der Tiefkühltruhe verpackt in China. Alter unbekannt. Problem allerdings Hausgemacht. Fisch putzen und verpacken ist in China billiger als in Russland. Ergo fahren die russischen Fischflotten nicht russische Häfen mit ihrer Ware an sondern chinesische. Übrigens zur zeit der Sowjetunion wurde der Fisch von Spezialschiffen noch auf dem Meer geputzt und verpackt. In den 90ern wurden diese Schiffe verkauft und verschwanden einfach.
Einzige Lösung, Vorsicht beim Fleisch und Fischkauf.
Ja, danke für den Hinweis, stimmt habe ich vergessen. Ich werde „alt“. Auf die Volzhskij Plem Savod lasse ich allerdings nichts kommen. Fleisch kommt in die Pfanne und verläßt sie wie es sein soll. Tja, „buy local“ kann ich nur sagen.
Ich kaufe wo möglich direkt vom Kleinbauern 🙂 leider in Moskau nicht immer ganz leicht und manches kommt dann schon von Waldai 🙂 aus dem Nachbardorf der Datscha. Wobei auch da sollte man die Leute kennen und nicht beim größten Dorfsäufer kaufen:)