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Archive for the ‘Land und Leute’ Category

Lang ist es her. Gestern habe ich mal wieder meinen Blog inspiziert und da fiel es mir auf, früher war nicht nur alles besser … und einen Kaiser hatten wir auch noch … nein, früher war ich mehr dran an Rußland. Ok, ich bin jetzt seit einiger Zeit mal wieder in Deutschland und bekomme den hiesigen Regierungszirkus mit, der sich in Vielem gar nicht so sehr von der russischen Variante unterscheidet.

Nur „hängt man dem Publikum dort keine Nudeln auf die Ohren“, ein russischer Ausdruck für das was wir mit „Vorspiegeln falscher Tatsachen“ oder „Märchen erzählen“ umschreiben würden, sondern man sagt ganz klar „gelenkte Demokratie“ und Basta.Im Gegensatz dazu wird dem Souverän hier der Eindruck vermittelt er könne etwas bewegen um gleich am Tag nach der Wahl eben die Versprechen zu beerdigen, die man kurz zuvor noch vollmundig von jedem Wahlplakat verkündet bekam. Wer da nun der Ehrlichere ist, will ich mal offen lassen.

Gut, aber das war nicht das eigentliche Anliegen dieses Artikels. Vielmehr geht es mir um mein „Kleines russisches Tagebuch„, das immer noch in den unendlichen Weiten des Internets sein Dasein fristet. Bei der Durchsicht kamen mir viele „Ach-Ja“-Gedanken, das eine oder andere was dort steht hat auch heute noch seine Berechtigung und ist einen Blick wert. Lang, lang ist es eben schon her.

Also, warum nicht mal reinschauen? Viel Spass beim Lesen.

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Über das Einkaufen in Russland habe ich schon desöfteren geschrieben. Das traditionelle Einkaufen in Läden alter Prägung, die man heute in größeren Städten nur noch selten findet, geht wie folgt vor sich:

Man geht zum Tresen, sagt der Verkäuferin was man benötigt, die holt die Ware, wiegt sie ggf. ab und nennt den Preis. Den schreibt man sich auf ein kleines Stück Papier das man meist in einem Zettelkasten findet. Hat man alles zusammen – zumindest in dieser Abteilung – geht man entweder in eine andere Abteilung wo sich das Spiel wiederholt, oder man geht zur Kasse.Abakus, Russian computer

Dort sagt man erst aus welcher Abteilung man kommt und liest dann die Preise vor, die die Kassierin dann in  die Kasse eintippt. Mit dem Bon geht man zurück zur Verkäuferin, die prüft alles und gibt einem dann die Waren. Soweit, so gut. Mittlerweile gibt es aber zumindest in den größeren Städten Läden westlicher Prägung mit Einkaufswagen und das Prozedere folgt dem auch bei uns bekannten Muster.

Im Supermarkt meines geringsten Mißtrauens habe ich mich mittlerweile in die Feinheiten des russischen Einkaufs eingearbeitet.

Da ist zunächst die Krux mit der Packungsgröße. Früher habe ich frohgemut alles in den Einkaufswagen gelegt. Heute schaue ich zunächst einmal auf die Angabe der Packungsgröße. Packungen denen man gut und gern einen Inhalt von einem Liter zutraut erweisen sich in der Praxis als 950 Mililiter-Packungen, so z.B. bei Milch und Fruchtsaft. Wie allgemein bekannt, macht Kleinvieh ja auch Mist. Hier 50 Mililiter weniger und dort 30 Gramm weniger … Wer denkt „typisch Russland, eben Betrüger und Mafiosi“, dem sei ein Blick auf die Verhältnisse in Deutschland ans Herz gelegt. Da sieht es nämlich auch nicht rosiger aus.

Immer wieder aber schaue ich in die Regale um Neues zu entdecken und ab und zu gelingt das auch. Da gab es schon Wodka im aluversiegelten Plastikbecher für die denen das Aufschrauben einer Flasche zu langatmig war. Mittlerweile sind solche Eskapaden Teil der Vergangenheit. Aber das findige russische Unternehmertum erschließt immer wieder Marktlücken die es zu stopfen gilt.

Gab es schon vor langen Jahren die Überraschungseier einer bekannten Marke, so gibt es jetzt das „spezielle Überraschungsei der russischen Art“. Damit ist nicht die russische Firma gemeint, die eine russische Variante des westlichen Überraschungseis auf den Markt bringt. Handgranatenattrappe für die lieben KleinenGemeint ist eine Fabrik die die Bonbons den kleinen Kunden in der Verpackungsform einer Handgranate anbietet. Das Wunderwerk ist für rund zwei Euro zu haben und beinhaltet neben Süßigkeiten auch einen Spielzeugsoldaten zum Zusammensetzen für den Nachwuchs. Das Erzeugnis nennt sich „SpezNas“, was soviel wie „Spezialtruppe“ bedeutet.

Nun ist das Verhältnis der Bevölkerung zur Armee hier ein ganz anderes als in Deutschland. Zahlreiche Ehrentage für die Angehörigen der Streitkräfte, so der Tag der Luftlandetruppen z.B. der im August begangen wird, gehören zum normalen Alltag. Auch öffentliche Paraden werden ohne die in Deutschland gewohnte Scheu veranstaltet.

Aber ob man deswegen auch gleich Handgranatenattrappen im Supermarkt verkaufen muß die jeden Flughafen innerhalb von Minuten zum Chaoshaufen werden lassen können? Ich habe da meine Zweifel.

P.S. Es gibt zumindest in der ukrainischen Hauptstadt Kiew auch Salzstreuer in Handgranatenform im Angebot, aus denen man, nach „Abzug des Sicherungsstiftes“ Salz streuen kann, wirklich sehr sehr komisch, oder nicht?Salzstreuer-Handgranate aus Kiew

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oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apother.“

Wer, wie ich, das Glück hat deutsches und russisches Fernsehen schauen zu können, der hat auch die Chance das Werbeangebot auf beiden Seiten vergleichen zu können und seine eigenen Schlüsse betreffs die Befindlichkeit der jeweiligen Bevölkerung daraus zu ziehen.

Beginnen wir mit dem deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Wer das Werbeangebot der deutschen öffentlich-rechtlichen Sender betrachtet, der wird in fast jedem zweiten Spot mit dem Hinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apother.“ verabschiedet. Medikamentenwerbung jeglicher Couleur prasselt da auf den Zuschauer ein, für die Verbesserung des Zustandes der Kniegelenke, der Bekämpfung des Prädemenzsyndroms und der Verbesserung des Blutdrucks, abgerundet durch den Hinweis auf die kostenlos erhältliche Apothekenumschau. Fehlt eigentlich nur noch die Werbung für Treppenlifte und Rheumawäsche um das Bild abzurunden.

Was kann man daraus schließen?

Deutschland scheint nicht ein „Failed state“ zu sein, sondern sich eher auf dem Weg zum „Gerontostate“ zu bewegen.

Kommen wir nun zur Werbung im russischen Fernsehen. Junge Familien freuen sich über das neueste Jogurth von Danone, Importautos werden angeboten, inkl. Offroadfahrzeugen.  Rund um die Feiertage wird Werbung für leberschützende Medikamente gemacht und wer sich beim Essen ein wenig übernommen hat, dem hilft, so die Werbung, „Mesim“ von Berlin Chemie. Und weil es Erkältungszeit ist, deshalb wird der Zuschauer abschließend noch mit Werbung für Mittel gegen Erkältungen versorgt.

Das lokale Fernsehen rundet den Werbereigen mit Hinweisen auf Restaurants ab in denen man nicht nur seine Betriebsfeiern abhalten kann, sondern wo man auch mit so unerläßlichen Dingen wie Karaoke und Bauchtanz beglückt wird. Wer sich preisreduzierte Nerzmäntel im Haus der Offiziere kaufen will, der wird von den lokalen Werbeprofis ebenfalls nicht allein gelassen.

Von „Geronto“ keine Spur. Das ganze Land scheint eher auf dem „Trip zur Lebensfreude“ zu sein, frei nach dem Motto „Wir wissen zwar nicht wie es weitergeht, aber weitergehen wird es, das ist klar.“

Auf unserem Hof haben wir einen Kindergarten. Morgens kann man da die kleinen Natashas und Igors selbst bei kalten Temperaturen sehen wie sie im Schnee spielen und lärmen. Niemand würde ernsthaft auf die Idee kommen das fröhliche Lärmen der Kleinen unter irgendeinem Lärmschutzaspekt naserümpfend zu betrachten. Kinderlärm ist Teil des Alltagslärms und stört niemanden. Diese Art von Optimismus  und Kinderfreundlichkeit ist es letztlich auch, die  mir diese Land so sympathisch macht.

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Wenn man in Russland ein Schild mit Hinweis auf „Service“ sieht, dann heißt es aufpassen. In der Regel ist der Angebotene „Service“ nur das Beseitigen von vorher künstlich aufgebauten Hindernissen, gegen Entgelt versteht sich. Daß es auch anders geht, zeigt folgendes Begebnis.

Geschafft, mehr als 80 Neujahrs- und Weihnachtskarten sind geschrieben und sollen auf den Weg zu ihren Empfängern.

Also ab aufs Hauptpostamt. Meist ist die russische Post alles andere als ein Hort von Zuvorkommenheit und Service. Aber es geht auch anders. Die Mitarbeiterin nimmt den Riesenstapel mit einem Lächeln entgegen und versieht fein säuberlich jeden Umschlag mit den notwendigen Briefmarken. Und am Ende bekomme ich auf Nachfrage noch schnell eine Kopie der Postgebührenliste ausgehändigt mit den Worten „Beehren Sie uns bald wieder“.

Das nenne ich mal Service. Danke liebe Post.

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„Einmal werden wir noch wach, heissa, dann ist Weihnachtstag.“ Das kennen doch wohl viele von uns. Wie haben wir uns als Kinder gefreut.

Weihnachtsbaum wie meine Enkelin ihn sieht

Weihnachtsbaum wie meine Enkelin ihn sieht

Nun ja, auch heute freuen sich die Kinder noch. In Russland aber können sich die Kleinsten gleich zweimal freuen. Erst wird Weihnachten nach dem geltenden Kalender gefeiert – obwohl, so ein Riesenfest wie im Westen ist es nicht –  und dann, weil es so schön ist, auch gleich noch einmal nach dem alten Kalender der bis zur Oktoberrevolution in Russland galt, also am 7. Januar nach heutigere Zeitrechnung.

Und damit auch alles im Lot bleibt gibt es das Fest zum Jahreswechsel auch gleich in zweifacher Ausführung, das Neue Jahr eben und das „Alte neue Jahr“, die Nacht vom 13. bis zum 14. Januar. Und damit die vom feiern ermattete Klasse der Werktätigen nicht zu sehr ausgepowert ist, werden die Tage vom Neujahr westlicher Prägung bis fast zum „Alten Neujahr“ zumindestens im öffentlichen Dienst als arbeitsfrei gegeben. Russland ist also paralysiert in dieser Zeit.

Wer Post aus dem Ausland erwartet hat Pech gehabt, der Zoll feiert und da ist nicht dran zu rühren, sorry. Aber Lebensmittelschäfte und überhaupt der privatunternehmerische Sektor sieht das Ganze gelassen, Neujahrsurlaub? Ich höre wohl nicht richtig. Business ist angesagt, diese umsatzstarke Zeit überläßt man doch nicht der Konkurrenz. Nach Angaben russischer Wirtschaftsfachleute entstehen dem Land durch den „Zwangsurlaub“ erhebliche finanzielle Einbußen im Millionenhöhe.

Leeres Kuchenregal im Supermarkt

Ok, bringen wir es hinter uns, noch einmal „Feiern bis der Arzt kommt“ und dann kommt endlich wieder der Alltag zum Tragen bis … zum Valentinstag am 14. Februar. Das ist zwar kein gesetzlicher Feiertag aber wehe dem der diesen Tag, den wir den Amerikanern zu verdanken haben, vergißt. Schlimmer ist dann nur noch das Vergessen des Frauentages. Der steht uns aber erst am 8. März bevor.  Zuvor müssen wir nur noch den „Tag der Vaterlandsverteidiger“ am 23. Februar, die russische Variante des Männertages, überleben.

Aber das schaffen wir auch noch.

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15 Grad minus, der Schnee knirscht unter den Sohlen. Nun ist es wieder geschafft, das Weihnachtsfest westlicher Lesart haben wir überstanden. Gestern war Jahreswechsel und Freunde kamen am Abend zu Besuch. Um 22.00 Uhr Ortszeit haben alle die Neujahrsansprache von Angela Merkel über sich ergehen lassen, wobei die Mehrheit der Anwesenden Gott sei Dank nicht sprachkundig war. Gefolgt wurde die Kanzlerin  von der Neujahrsansprache von Präsident Medwedew um Mitternacht. Welche Ansprache gehaltvoller war lasse ich mal offen. Beide nahmen sich nicht allzu viel in ihren Unbestimmtheiten im Sinne von „Pro Bonum Contra Malum“.

Um 0.00 Uhr wurde auf das Neue Jahr getrunken. Es gab Gans, Salate, Brötchen mit rotem Kaviar, m.a.W. ein ganz normales russisches Neujahrsfest. Bis um 2.00 Uhr nachts wurde getafelt, dann brachen unsere Freunde auf. Gleich darauf klingelte es allerdings erneut und die Nachbarn vom Stockwerk über uns trafen ein. Das ging dann bis 5.00 morgens.

So spannende Fragen wie „Die heutige Jugend ist auch nicht mehr das was wir mal waren.“ wurden diskutiert und natürlich noch das eine oder andere Fläschchen geleert.

Am Ende der Debatte war man sich einig daß wir früher auch nicht besser gewesen sind und so war die Ehre der Jugend wieder hergestellt.

Bettzeit, Aufstehen so gegen 12.00 Uhr, gefühlte 16.00 Uhr. Dann die Feststellung getroffen daß man noch das eine oder andere benötigt. Wohl dem der in Rußland ist, denn Ladenöffnungszeiten deutscher Lesart gibt es hier nicht. Es gibt sogar Läden mit 24-Stunden-Betrieb und niemand muß an die Tankstelle fahren um Brot zu kaufen.

Ob die Mitarbeiter, vornehmlich Mitarbeiterinnen, das auch so sehen wage ich mal zu bezweifeln, aber mir soll es recht sein. Ich brauche:

  • Jogurth
  • Butter
  • Ofenreiniger
  • Mineralwasser
  • und last but not least ein Fläschchen für die anstehende Nachfeier.

Also auf in den Supermarkt. Wo gestern nicht mal eine Kopeke fallen konnte, so dicht drängte man sich, da waren heute die Mitarbeiterinnen des Supermarktes fast in der Überzahl und zwei Gruppen von Kunden konnte man auszumachen.

Einerseits die Hausfrauen die noch irgendwas einkaufen mußten und andererseits die Vertreter der Gattung „Tote Seelen“ die schon der Schriftsteller Gogol zu beschreiben wußte. Unter dieser Gruppe hat man die zu verstehen, die den gestrigen Tag sehr erfolg- und folgenreich hinter sich gebracht hatten und die jetzt im Supermarkt standen und den Eindruck machten daß sie selber nicht wußten was sie hier eigentlich sollten.

Die Regale mit Mineralwasser, Tomatensaft und allerlei sauren Milcherzeugnissen wiesen schwere Spuren von Warenmangel auf, das Wort „Defizit“, eines der ersten russischen Worte die ich gelernt hatte, kam mir in den Sinn.

Ich zählte mich mal zur Gruppe der Hausfrauen und Hausmänner die mittels Einkaufszettel ihre Einkäufe erledigten und nach kurzer Zeit stand ich wieder vor der Tür des Ladens. Ab nach hause. Um 20.00 geht es zu Freunden für die Neujahrsfeier, Teil zwei.

Soviel zu den hiesigen Festivitäten. Aber nun noch kurz zur russischen Jugend im allgemeinen und meiner Enkelin im besonderen. Die hatten wir nämlich für einige Tage bedingt durch ihre Erkältung zu Gast. Sie konnte nicht in den Kindergarten und das blieb dann nur die Pension „Opa und Oma“.

Viel habe ich gelernt in diesen Tagen.  Zunächst einmal ist da das Märchen vom Mascha und den Bären und die Geschichte vom dicken fetten Pfannkuchen der allen davon rannte bis ihn ein Fuchs überlistete und auffraß.  Zum Abschluß gab es noch die Geschichte vom Rübenernten, bei dem der Opa die Rübe ausrupfen soll, es aber nicht schafft. Also zieht Oma am Opa der wieder an der Rübe zieht. Als das nicht fruchtet, hilft der Hofhund. Der zieht nämlich an der Oma, die wiederum am Opa zieht, der seinerzeit versucht die Rübe auszurupfen.  Ich will es kurz machen. Einige weitere Beteiligte betreten noch die Bühne und ziehen mit an der Rübe. Als endlich das kleine Mädchen mithilft, da kann die widerspenstige Rübe besiegt werden.

So vervollständige ich allmählich den Schatz der russische Märchen, meine Enkelin hält mich da auf dem neuesten Stand. Aber auch in anderen Dingen bin ich dank der Enkelin mit ihren vier Jahren und ihrem nicht enden wollenden Redeschwall up to date.

Als wir neulich durch die Stadt fuhren wollte sie mir unbedingt das neueste Lied vorsingen das sie gelernt hatte. Ich war nicht schlecht erstaunt als es da aus dem Kindersitz hinter mir ertönte „Verschwinde, mach die Tür zu, ich habe jetzt einen anderen.“

Ob die heutige Jugend vielleicht doch ein wenig frühreif ist ?

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kommt das Christuskind. Und wer bei ALDI nicht schnell genug zur Seite springt, den rennt spätestens Ende August eben dieses Christuskind um wenn es mal eben schnell eine Palette Lebkuchen abliefert um dann in Windeseile eine weitere Palette mit Christstollen im Mittelgang bei LIDL zu platzieren. M.a.W. es ist die zeit des „Raus aus dem Badeanzug, rein in die Nikolausstiefel“, Weihnachten steht vor der Tür, jedenfalls wenn es nach den Vorstellungen des Einzelhandels geht.

Um dieses „alle Jahre wieder“, das mir schon seit Jahren die Lust auf Weihnachten gründlichst vergällt, soll es hier aber heute nicht gehen. Da ich hier einen Blog zu Russland wie ich es sehe habe, will ich über das „alle Jahre wieder“ russischer Provinienz berichten.

Alle Jahre wieder tritt in Russland, wie es scheint für alle Beteiligten völlig unvorhersehbar, die kalte Jahreszeit ein. Die Folge: Der Präsident oder der Premierminister werden im Fernsehen gezeigt, wie sie sich mit irgendjemandem treffen und dieser Irgendjemand erklärt dem Präsidenten / Premierminister, dass alles für die kalte Jahreszeit bereit ist, die Heizungen nur darauf warten geöffnet zu werden und man dem Winter gelassen entgegensehen könne.

Und dann passiert es: Irgendwo in den Tiefen des großen Landes muss Mr. Irgendwer nicht gewesen sein und die eifrig als abgeschlossen dargestellten Vorbereitungen für die kalte Jahreszeit sind noch keinesfalls abgeschlossen. Als Folge sieht man dann im Fernsehen Berichte über kleine Städte und Dörfer die „mal eben nicht beheizt werden“ und in denen die Menschen frieren. Einen Tag später hat dann der Präsident / Premierminister sich den verantwortlichen Gouverneur zur Brust genommen und drei Tage später ist dann die Ortschaft wieder beheizt oder hat wieder Wasser oder warmes Wasser, wenn, ja wenn das Fernsehen darüber berichtet hat. In wie vielen Fällen die Massenmedien aus welchen Gründen auch immer nicht darüber berichten, das kann man nur ahnen.

Woher kommt dieses „Alle Jahre wieder wird es kalt in den Wohnungen“? Nun, die Ursachen sind vielfältig. Zum einen sind da die Heiztrassen aus Sowjetzeiten, die schon seit langen Jahren nicht gewartet wurden und die deshalb genau dann leck schlagen wenn die Heizsaison eingeläutet wird. Interessanterweise wird in den Sommermonaten die Warmwasserversorgung für mehrere Wochen abgestellt. Begründung: Wartung der Rohrtrassen. Wartungstrupps sieht man in dieser zeit nur spärlichst und wie effektive diese Wartung dann ist, zeigt sich zu Beginn der Heizperiode.

Zum anderen sind es Gelder zur Renovierung eben dieser Heiztrassen, die auf wundersame Weise nie ihren eigentlichen Bestimmungsort erreichen, oder wenn sie ihn erreichen, dann jedenfalls nicht in vollem Umfang. Der fehlende Rest ist dann in den Weiten Russlands irgendwo versickert oder befindet sich auf einer Geldkreislaufbahn auf der die angesammelten Beträge mal schnell ein paar Zinsen verdienen die dann aber nicht in die Arbeiten zur Pflege der Heiztrassen einfließen.

Des weiteren ist es die fehlende Zahlungsmoral oder Zahlungsfähigkeit mancher Zeitgenossen, die entweder nicht daran denken für gelieferte Wärme zu zahlen, oder die auf Grund einer minimalen Rente nicht in der Lage sind zu zahlen.

Und last but not least sind es Bestimmungen im russischen Arbeitsrecht, die zu kalten Füßen führen können. Wie das? Ganz einfach.

Die Entlohnung russischer Arbeitnehmer ist aufgeteilt in verschiedene Bestandteile der Entlohnung. Da ist zunächst einmal der Grundlohn den der Arbeitgeber zahlt. Dieser Grundlohn ist in der Regel nicht sonderlich hoch und wenn man von Lohnhöhen in Russland spricht, dann sind die genannten Beträge meist eben dieser Grundlohn die in Diskussionen genannt werden. Dass teilweise unter der Hand ganz andere Beträge gezahlt werden und man die Lohnhöhe nur deshalb künstlich niedrig hält um sich Steuern und Sozialabgaben vom Leibe zu halten, das sei nur der Vollständigkeit halber am Rande erwähnt.

In vielen Firmen, so auch in den örtlichen Wärmeversorgungsunternehmen, werden darüber hinaus aber weitere Vergütungsbestandteile gezahlt. Dazu gehören auch Prämien für die Mitarbeiter.

Und diese Prämien sind es auch, die letztlich zu kalten Füßen führen können. Denn diese Prämien beinhalten auch Prämienzahlungen für die Arbeit unter erschwerten Arbeitsbedingungen. Damit man eine solche Prämie für erschwertes Arbeiten einstreichen kann kann, muss man die Vornahme der Arbeiten eben auf solche Zeitpunkte legen, wo z.B. schlechte Witterungsbedingungen herrschen, es regnet oder schneit oder eben in der Kälte gearbeitet wird.

Da werden dann Heizungsrohre erneuert oder geflickt wenn es draußen kalt ist. Die Folge ist, dass die Heizung „mal eben“ für ganze Stadtteile abgestellt wird und Gleiches gilt auch für die Versorgung mit warmen Wasser falls nötig.

Da werden auch Straßenbeläge dann erneuert wenn es draußen wie aus Eimern gießt und schüttet oder die Außentemperaturen sich erkennbar auf den Nullpunkt hin zu bewegen. Dem so aufgetragenen Asphalt ist das zwar nicht zuträglich, der einzustreichenden Prämie aber schon.

Als Folge werden die Arbeiten erledigt nach dem Motto „Chef, bin fertig, Prämie bitte.“ Welche volkswirtschaftlichen Beträge so völlig unsinnig verbraten werden entzieht sich meiner Kenntnis. Nur eins ist klar, die so mit neuem Asphalt versehenen Straßen halten nicht allzu lange und den so erneuerten Heizungsrohren ist ein ähnliches Schicksal vorbestimmt, m.a.W. die nächste Abschaltung der Heizung ist vorprogrammiert.

Gut nur, dass hier noch keiner öffentlich auf die Idee kam den verstärkten Gebrauch von Pullovern oder sonstiger warmer Kleidung zu propagieren. Das ist bisher nur dem ehemaligen Finanzsenator Thilo Sarrazin vorbehalten gewesen.

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Seit der Einführung des sog. „Einheitlichen Staatsexamens“ – „EGE“ – für Absolventen der russischen Schulen ist Chance für so manchen Zeitgenossen auf einen kostenlosen Studienplatz erheblich geschrumpft. Der Prüfungsstoff der abgefragt wird ist einheitlich und auch die Fragen sind vereinheitlicht. Die Beurteilung der Ergebnisse erfolgt auch nicht vom örtlichen Personal, m.a.W. dem Benotungsmißbrauch ist soweit man bisher sehen kann ein wenig ein Riegel vorgeschoben worden.

Nun gut, wo ein Problem ist da ist auch eine Lösung und daß man das „EGE“ auch durch Stellvertreter erledigen lassen kann, das ist seit einem Bericht im Mai diesen Jahres in den Nachrichten des ersten Kanals des russischen Fernsehens auch dem Letzten klar.

Da war zu sehen wie geschäftstüchtige Zeitgenossen in der russischen Provinz sich Zutritt zu dem Examenstermin verschafften um dann für die Prüflinge gegen entsprechende Aufwandsentschädigung die lästigen schriftlichen Prüfungen zu absolvieren. Zu den so Hilfsbereiten zählten, man höre und staune, auch das Lehrpersonal eben jener Schule in der Provinz in der die Prüfungen stattfanden. Und damit alles reibungslos ablief hatte die Direktorin der betroffenen Schule dafür Sorge getragen daß die Veranstaltung geräuschlos über die Bühne ging,  gegen eine Aufwandsentschädigung versteht sich.

Leider hatten die Dienstleister die Rechnung ohne den Wirt gemacht und waren daher nicht wenig erstaunt daß am Prüfungstag auch die „ausführenden Organe der Macht“ nebst Mitarbeiter des Fernsehens zur Stelle waren um nach dem Rechten zu schauen und vor laufender Kamera eine 38-jährige Lehrerin beim Betreten der Prüfungsräume zu erwischen, die sich auf dem Wege der Gehaltsaufbesserung befand.

Im Moment läuft die Bewerbung der Schüler an den Universitäten und sonstigen Ausbildungsstätten Rußlands auf vollen Touren. Das Ausbildungsjahr beginnt am 1. September in Rußland (und auch der Ukraine). Zugang zu den vom Staat finanzierten Ausbildungsgängen haben die zukünftig Studierenden zunächst einmal auf Grund ihres schulischen Abschlußzeugnisses und der Noten. Weitere Kriterien können bei der Vergabe der heißbegehrten Studienplätze herangezogen werden. Der Katalog umfaßt einem Bericht des russischen Fernsehen zufolge mehr als 100 verschieden Kriterien, so u.a. Teilnahme an Wissenwettbewerben, den sog. „Olympiaden“.

Bessere Chancen auf eine Ausbildung will der russische Staat denen angedeihen lassen, die behindert sind. Dieser ehrenwerte Vorsatz führte allerdings bei der diesjährigen Begutachtung der eingegangen Bewerbungen zu dem erstaunlich Ergebnis daß sich Anzahl der behinderten Bewerber auf einen kostenlosen Studienplatz um nahezu 25 % erhöht hatte. Noch mehr erstaunte die interviewten Uni-Präsidenten das Faktum, das die Invalidisierung der Bewerber zu einem großen Teil wohl erst kurz vor der jeweiligen Übermittlung der Bewerberdokumente stattgefunden haben mußte. So wies eine Vielzahl der eingereichten „Invaliditätsbescheinigen“ eine auffällige zeitliche Nähe zum Bewerbungszeitpunkt auf. Daß teilweise auch Bescheinigungen ohne Registriernummer eingereicht wurden soll nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Um die Frühinvalidisierung der russischen Jungakademiker zu begrenzen sieht man sich jetzt gezwungen im Zweifelsfall einen neutralen Gutachter zu bemühen der den Gesundheitszustand des Bewerbers überprüfen wird. Daß dabei der eine oder andere „invalide“ Bewerber durch das Raster rutschen wird und damit genügend Plätze für die wirklich Bedürftigen zur Verfügung stehen werden, bleibt zu hoffen. Den daraufhin abgelehnten „invaliden“ Kandidaten bleibt dann, falls ihnen ein Strafverfahren keinen Strich durch die Rechnung macht,  als letzter Ausweg immer noch das selbstbezahlte Studium mittels eines Vertrages mit der jeweiligen Universität.

Fazit: Erstens: Das russische Fernsehen zeigt eine für manch westlichen Beobachter erstaunliche Offenheit im Umgang mit Mißständen im eigenen Lande, eine Offenheit die so garnicht zu dem gern mancherorts gehegten Bild von der „Putin-Diktatur mit Medwedjew-Maske“ paßt.

Zweitens: Die notwenigen und richtigen Schritte zur Reform des Bildungswesens werden in Rußland gemacht.

Drittens: Es bleibt zu hoffen daß die auf Grund der bisher geltenden Praxis im Ausland mancherorts mit Argwohn betrachteten Zeugnisse russischer Bildungsinstitutionen wieder an Wert gewinnen.

Viertens: Ferner bleibt zu hoffen daß die offizielle Lehrerbesoldung in absehbarer Zeit solche Höhen erreicht daß „Nebenverdienste“ für das Lehrpersonal nicht nur überflüssig werden sondern der Verlust eines gut dotierten Arbeitsplatzes höher wiegen wird als der Anreiz zu Nebeneinkünften. Da habe  ich allerdings so meine Zweifel, leider.

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Integration von Ausländern ist ein Problem in Deutschland, aber, wie wir unlängst gesehen haben, nicht nur dort. Wie dem auch sei, daß Integration wichtig ist wird derjenige bezeugen können, der mit den Ergebnissen mangelhafter Integration konfrontiert wird. Grundschullehrer aus Berlin-Neukölln könnten da sicher einiges dazu erzählen.

Daß andererseits zu viel „Integration“ auch ihre Probleme haben kann, davon kann ich nach dem heutigen Tag selbst ein Lied singen. Der Anlaß: Besuch auf „meiner“ Bank in Kiew, aber der Reihe nach.

und hier geht es zu Monopoly-Spielern und

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Der eine oder die andere kennt sicher das Buch von Henry Miller, der auch Bücher wie der „Wendekreis des Krebses“ geschrieben hat. Daß die Bücher nicht unbedingt als Kinderliteratur durchgehen, das wissen wohl viele. Hier soll es weniger um Henry Miller gehen, als vielmehr einmal um „Silent days in Kiew“. Normalerweise ist Kiew im Sommer zwar nicht gerade ein beschaulicher Platz, aber ruhiger als sonst ist es schon. Große Teile der Bevölkerung sind in die Sommerfrische auf die Datscha oder an das Schwarze Meer auf die Krim gefahren. Zunehmend machen sich die Ukrainer auch auf ihre Nachbarn zu besuchen und fahren in die Türkei. Die ist, ganz nebenbei gesagt, auch erheblich billiger und der Service ist auch besser, wie selbst eingefleischte Patrioten zugeben.

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